„Spielwiese“ in der Kiesgrube

Beitrag in der Mitteldeutschen Zeitung vom 8.Februar 2024

VON YVETTE MEINHARDT

GÖRSCHEN/MZ. Ihr Revier ist die Kiesgrube an der A 9 nahe Gröbitz und Nessa. Auf diesem eingezäunten privaten Gelände lernt Annabell Köber Baggerfahren. Sie sitzt in einem Minibagger und lenkt ihn per Joystick. „Manchmal reagiert der Bagger aggressiv, es ruckt und rumpelt ganz schön. Doch ich habe mich schon eingearbeitet. Nur eins stört mich, der Bagger fährt langsam wie eine Schildkröte“, sagt Annabell Köber. Sie lernt im ersten Ausbildungsjahr Baggerfahrerin bei der Naumburger Bauunion – oder wie es ganz offiziell heißt Baugeräteführer. „Ich wollte schon als Kind Baggerfahrerin werden, zwischendurch mal An- walt, aber nur im Büro zu sitzen, wäre nichts für mich“, erzählt sie.

Annabell Köber hat im vergan- genen Sommer in der CJD Gemeinschaftsschule Droyßig ihren erweiterten Realschulabschluss gemacht. „Im vergangenen Jahr haben wir dort zum ersten Mal im Rahmen eines Schule-Wirtschafts-Forums unsere Firma mit ihren Ausbildungsmöglichkeiten vorgestellt und Annabell war dort Schülerin. So haben wir uns kennengelernt“, sagt Katrin Möller, Personalreferentin bei der Bauunion und verantwortlich für Ausbildung. „Bei uns lernen 27 junge Leute, davon 13 im gewerblich- technischen Bereich, drei im kaufmännischen und elf machen ein duales Studium“, fährt Katrin Möller fort. Vor Beginn ihrer Ausbildung hat Annabell ein Praktikum gemacht. „Ich fühle mich in unserem Unternehmen sehr wohl. Es ist perfekt, das ganze Umfeld passt“, sagt die 16-Jährige. Dazu gehört zum Beispiel die Kiesgrube, in der die Lehrlinge den Bagger fahren. „Das ist unsere Spielwiese, da kann man nicht viel falsch machen“, verrät sie.

Drei Jahre muss sie lernen. Die Berufsschule befindet sich in Meiningen, die überbetriebliche Ausbildung in Walldorf bei Meiningen.Noch hat die 16-Jährige keinen Führerschein, doch es sei kein Problem mit dem Zug nach Meiningen zu kommen. Und im nächsten Jahr möchte sie ihren Führerschein machen. „In der Berufsschule sind wir über 60 Schüler in unserer Fachrichtung in unserem Jahr, davon nur vier Mädchen“,sagt sie. Ja, manchmal würden die Jungen schon stänkern, aber im nächsten Augenblick helfen sie dann den Mädchen beim Bau einer Schalung beispielsweise. Annabell wohnt in Görschen, also gleich um die Ecke der Firma. Auch ihre Freizeit verbringt sie außergewöhnlich: „Ich mag Bogenschießen, war auch im Verein, doch jetzt fehlt mir dafür die Zeit.“ Frauen in Männerberufen sind noch immer nicht alltäglich…

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